Das Tempolimit: Die einen sehen darin eine sinnvolle Maßnahme zum Schutz von Umwelt und Verkehrsteilnehmern, die anderen halten es für eine unnötige Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit.
Der Verkehrssektor muss CO2-Emissionen reduzieren, das ist eine Tatsache. Und ein deutschlandweit gültiges Tempolimit wäre ein schneller und effektiver Weg, um diesen Zielen näherzukommen. Es ist jedoch politisch umstritten und wird immer wieder von der FDP blockiert, obwohl die Mehrheit der Deutschen ein Tempolimit befürwortet und der wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung dies ebenfalls empfiehlt.
Tempolimit für deutsche Autobahnen: Umfragen
Belegen möchte ich diese Aussage mit Umfragen, die aktuell veröffentlicht wurden: So hat das Umweltbundesamt zwischen November und Dezember 2020 insgesamt 2115 Menschen befragt, ob ein Tempolimit von 130 km/h umgesetzt werden solle: 42 % antworteten mit „Ja auf jeden Fall“, weitere 22 % mit „eher ja“. 21 % lehnen ein Tempolimit ab, 15 % tendieren zu „eher nein“.
Generell steigt die Zustimmung für ein Tempolimit die letzten Jahre an. Der ADAC befragte im Jahr 2022 seine Mitglieder nach einem Tempolimit. 52 % der Mitglieder stimmten für „Ja“, 44 % für dagegen, vier Prozent antworteten mit „Weiß nicht“.
Tempolimit für deutsche Autobahnen: Vorteile?
Die Vorteile eines Tempolimits sind vielfältig und wurden in der Studie ausgiebig untersucht. Es geht dabei nicht nur um CO2-Einsparungen, sondern auch um gesellschaftliche und individuelle Vorteile, die als Wohlfahrtsgewinne bezeichnet werden. Diese Vorteile wurden in der ökonomischen Rechnung mit einem Preis belegt, über den die finanziellen Gewinne bestimmt wurden.
Die Studie nutzte öffentlich zugängliche Daten sowie eine in der EU gängige Kosten-Nutzen-Analyse, um die Vor- und Nachteile eines Tempolimits von maximal 130 km pro Stunde auf deutschen Autobahnen zu berechnen. Das Ergebnis war beeindruckend: Weniger CO2-Emissionen, weniger Kraftstoff, weniger Unfälle, weniger Kosten für Infrastruktur und Lieferketten könnten zusammen mit eingesparten Klimakosten rund 950 Millionen Euro an Wohlfahrtsgewinnen erzielen.
Es ist wichtig zu betonen, dass in der Studie sowohl Kosten für die Fahrenden als auch Kosten für die restliche Gesellschaft einbezogen wurden. Zu den Kosten der Gesellschaft gehören besonders die Klimakosten, aber auch nicht durch Versicherungen gedeckte Unfallkosten und Kosten der Gesundheitssysteme durch Abgase.
Die Argumente für ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen sind also vielfältig und auch wirtschaftlich betrachtet sinnvoll.
Tempolimit = weniger Unfälle?
Laut der Berechnung wurden bei der „theoretischen“ Seite also weniger Unfälle registriert. Doch die Faktenlage in der Praxis lässt keine Verbindung zwischen Tempolimit und weniger Verkehrsunfällen – oder gar Verkehrstoten feststellen. So stehen z.B. Frankreich, Tschechien oder die USA nicht besser dar, als Deutschland ohne Tempolimit: Kommt es in Deutschland im Durchschnitt zu 1,48 Toten je 1 Mrd. Fahrzeugkilometer (nur Autobahn), liegt diese Zahl in Frankreich bei 1,56, in Tschechien bei 2,53 und in den USA bei 4,19 Toten je Milliarde Fahrzeugkilometern.
Andere Länder mit Tempolimit, wie beispielsweise die Schweiz, zählen z.B. nur 0,85 Tote je Mrd. Fahrkilometer.
Und selbst im innerdeutschen Vergleich zeichnet sich kein klares Bild zwischen den rund 30 % geschwindigkeitsbegrenzten Autobahnen und den „Freien“ Stücken.
Der Fakt am Ende: Die meisten Unfälle passieren außerhalb der Autobahnen. Knapp 60 % aller Verkehrstoten sind auf Landstraßen zu beklagen.
Tempolimit: Einsparungen bei CO2 klar messbar
Je langsamer man fährt, desto weniger Kraftstoff verbraucht man – das ist klar. Doch wie groß wäre die Einsparung durch ein allgemeines Tempolimit tatsächlich? Das Umweltbundesamt hat sich dieser Frage angenommen.
In einem Gutachten, das im Januar 2023 veröffentlicht wurde, geht das UBA davon aus, dass durch ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen jährlich 4,7 Millionen Tonnen CO₂ eingespart werden könnten. Das entspricht 2,9 Prozent der Emissionen im Straßenverkehr, bezogen auf die Gesamtemissionen von 157,7 Millionen Tonnen CO₂ im Jahr 2018.
Die Studie des UBA arbeitet mit Daten aus diesem Jahr. Zum Vergleich: 2022 wurden aufgrund der Corona-Pandemie ca. 147 Millionen Tonnen CO₂ prognostiziert. Außerdem haben einige Autofahrer aufgrund hoher Spritpreise möglicherweise weniger oder langsamer gefahren.
Wenn man auch Verhaltensänderungen einbezieht, könnte die Emissionsreduzierung laut UBA sogar bei 6,7 Millionen Tonnen CO₂ oder 4,2 Prozent liegen. Das UBA erwartet nämlich, dass Autobahnen durch ein Tempolimit weniger attraktiv werden und Autofahrer auf andere Verkehrsmittel umsteigen oder kürzere Routen über Landstraßen wählen.
Die Forschenden nehmen an, dass 65 Prozent der Pkw-Fahrleistung auf Autobahnabschnitten ohne Tempolimit stattfinden. Aus Sicht des ADAC ist dieser Wert jedoch zu hoch und könnte die Klimawirkung von Tempo 120 auf dem Papier erhöhen. In älteren Gutachten setzte das UBA einen Anteil von rund 55 Prozent voraus, basierend auf Berechnungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Außerdem wird diskutiert, ob der Hochlauf der Elektromobilität und dessen senkende Wirkung auf den CO₂-Ausstoß ausreichend berücksichtigt wurde.
Die Bundesregierung hat im Klimaschutzgesetz beschlossen, dass Deutschland die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 auf 85 Millionen Tonnen CO₂ reduzieren muss. Ein generelles Tempolimit könnte vermutlich einen begrenzten Beitrag dazu leisten.
Tempolimit: Hier wird Lobbyarbeit geleistet!
Es ist bedauerlich, dass politische Entscheidungen immer wieder von Lobbygruppen beeinflusst werden und somit oft nicht im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung liegen. Insbesondere in Bezug auf den Klimawandel und den Schutz unserer Umwelt sollte jedoch das Wohl der Gesellschaft und nicht einzelner Interessengruppen im Vordergrund stehen.
Als Verkehrsteilnehmer sollten wir uns bewusst machen, dass auch unser Fahrverhalten Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft hat. Durch die Reduktion unserer Geschwindigkeit können wir nicht nur zur Verringerung von CO2-Emissionen beitragen, sondern auch das Unfallrisiko minimieren und somit uns selbst und andere Verkehrsteilnehmer, aber auch z.B. Tiere in der Nacht, schützen.
Mit Blick auf die Elektromobilität hingegen, macht ein Tempolimit durchaus Sinn, wobei viele Hersteller die Fahrzeuge in Sachen Höchstgeschwindigkeit bereits begrenzen: Mit jedem Kilometer an Geschwindigkeit, den man zulegt, wird viel mehr Energie benötigt – die benötigte Energie steigt exponentiell an.
Und: Dass alle Länder in Europa und zahlreiche auch außerhalb Europas bereits seit vielen Jahren Tempolimits umgesetzt haben zeigt, das Deutschland offenbar hier als Einzelgänger vielleicht doch nicht auf dem richtigen Weg ist.
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